Die Dautpher Kirche bedeutet mir ...

 

Die Martinskirche stand im Mittelpunkt meiner Kindheit und Jugend in Dautphe.  Im alten Pfarrhaus gegenüber der Kirche habe ich meine Kindheit verlebt. Ich war seinerzeit noch nicht Hartmut Nassauer, sondern dem im Hinterland üblichen Brauch der Hausnamen folgend „Pärrnesch Hartmut“, was Pfarrers Hartmut hieß. In der Martinskirche wurde ich konfirmiert und später auch mit meiner Frau getraut; während all dieser Jahre gab die Kirche meinem wöchentlichen Lebensrhythmus einen festen Rahmen, durch die sonntäglichen Gottesdienste, die ich noch mit den Predigten meines Großvaters kennen lernen durfte, durch den Posaunenchor, dem ich angehörte und der den Gottesdienst gelegentlich begleitete. Noch heute höre ich, wie sich bei dem kräftigen Gesang der Gemeinde - so möchte man meinen - fast die Kirchendecke abhob, einem Gemeindegesang, wie ich ihn in dieser Intensität später nie wieder erlebt habe!

 

Die Geschichte, die ich hier erzählen will, spielt in der Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts und beginnt mit dem Konfirmandenunterricht im Gemeindesaal. Die Konfirmandenstunden waren schon deswegen eine ernstzunehmende Angelegenheit, weil vor der Konfirmation die „Vorstellung“ drohte, bei der man Glaubensbekenntnis, Erläuterungen und Gesangbuchverse im Gottesdienst auswendig hersagen musste und die Chance hatte, sich fast lebenslänglich zu blamieren. Das Erinnerungsvermögen der Gemeinde funktionierte nachhaltiger bei stockendem Vortrag eines Prüflings oder gar beim Totalausfall des Gedächtnisses als bei glanzvollen Beiträgen. So saßen die Buben und Mädchen, die in vielen Fällen auf den elterlichen Höfen schon feste mit anpacken mussten, mit vor Eifer geröteten Wangen im Gemeindesaal, bliesen sich die Haare aus der Stirne und hofften, die gefürchtete Vorstellung „unfallfrei“ zu überleben.

Eines Tages, gegen Ende des zweijährigen Unterrichts, sagte der Pfarrer, heute habe er sich als Aufgabe etwas Besonderes ausgedacht, eine Ankündigung, die eher Befürchtungen als Begeisterung auslöste. Er ging mit uns in die neben dem Konfirmandensaal gelegene Martinskirche, versammelte uns um sich herum im Kreis und sagte: “Ich möchte, dass ihr einmal darüber nachdenkt, wie viele Menschen hier in unserer Martinskirche schon an einem Gottesdienst teilgenommen haben.“ Wie bitte? Völlige Entgeisterung löste des Pfarrers Ansinnen aus und ungläubiges Kopfschütteln. An welchen Zeitraum er denn da denke? Wann solle man denn beginnen? In diesem Jahr? Oder etwa seit Kriegsende? Oder wann sonst in der Vergangenheit? Und überhaupt, welche Bedeutung könne man denn einer notwendigerweise nur grob und unsicher geschätzten Zahl von Gottesdienstbesuchern durch die Jahrhunderte überhaupt beimessen? Welchen Sinn könne ein solches Unternehmen denn machen?

 Nun, erwiderte der Pfarrer, diese Zahl könne doch einen Hinweis darauf geben, für wie viele Menschen unsere Martinskirche wichtig gewesen sei in ihrem Leben, so wichtig, dass man sie regelmäßig oder auch gelegentlich aufgesucht habe. Und sie könnte verdeutlichen, dass bereits in der Vergangenheit eine vermutlich ziemlich große Zahl von Menschen am christlichen Leben in Dautphe teilgenommen habe. Und deswegen solle die Suche nach dieser Zahl nach Möglichkeit auch mit der Errichtung der Kirche beginnen, also von dem Anbeginn ihrer Entstehung und nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt.

Der Pfarrer stieß mit seinem Vorhaben verständlicherweise auf entschiedene Ablehnung. Diese Aufgabe sei unlösbar, das sei ein Ding der Unmöglichkeit, war die einhellige Meinung. Wie solle man das herausfinden, das könne kein Mensch. Und wozu überhaupt? Könne eine solche schlussendlich nur geschätzte, völlig ungesicherte, eigentlich aus der Luft gegriffene Zahl überhaupt von irgendeinem Belang sein?  

Natürlich, räumte der Pfarrer ein, ganz genau könne man selbstverständlich nicht mehr ermitteln, wie viele Gottesdienstbesucher unsere Martinskirche im Laufe ihrer Geschichte gesehen habe. Aber was man tun könne, erläuterte er, ist herauszufinden, wie viele es unter bestimmten Bedingungen gewesen sein könnten. Also da spiele zum Beispiel das Alter unserer Kirche eine gewichtige Rolle, oder die Frage, wie groß das Dorf zu bestimmten Zeiten gewesen sei, ob weitere Gemeinden zum Kirchspiel gehörten hätten, wie verbreitet der sonntägliche Kirchgang gewesen sei und so weiter. Die Aufgabe solle natürlich auch nicht jeder für sich alleine lösen: „Tut euch in Gruppen aus den Kirchspieldörfern zusammen und versucht mal, irgend etwas herauszufinden, was für die Zahl der Gottesdienstteilnehmer eine Rolle gespielt haben könnte!“

In der Dautpher Gruppe richteten sich bald alle Blicke auf mich, nicht nur, weil mein Großvater Pfarrer gewesen war, sondern auch weil ich einen Onkel hatte, der in der Heimatgeschichte geforscht und ein Buch über “Dautphe wie es früher war“ geschrieben hatte, was für die meisten ein brauchbarer Vorwand war, um die Aufgabe an mich zu delegieren.

Beim Abendessen trug ich die Angelegenheit zu Hause vor. Mein Vater schmunzelte amüsiert, erwies sich aber ansonsten als wenig hilfreich. Meine Mutter war praktischer gesinnt und meinte, ich solle doch einmal zu Onkel Martin gehen, der am ehesten mit der Dautpher Geschichte vertraut sei und der gewiss helfen könne.

Kurz und gut, wenige Tage später saßen ein Dutzend Konfirmandinnen und Konfirmanden in Onkel Martins Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen und man sprach über die Martinskirche, ihr Alter, ihre Baugeschichte seit dem 11. Jahrhundert, den Anbau des Wendelsteins im 12. Jahrhundert und den Anbau des Chorturms im 13. Jahrhundert. Wir erfuhren von einer wissenschaftlichen Untersuchung, wonach der Dachstuhl aus dem Jahr 1088 stamme und damit wohl der älteste in Deutschland sei. Wir betrachteten die Geschichte des Kirchspiels und die Entwicklung der Dörfer und kamen schließlich nach einer Reihe von Überlegungen, die natürlich keinen Anspruch auf historische Genauigkeit erheben können, auf eine Zahl von rund einer Million Gottesdienstbesuchern im Laufe der Zeiten. Wie gesagt, in Wirklichkeit können es deutlich mehr oder auch weniger gewesen; aber unter den Annahmen, die wir gebildet hatten, besaß die Zahl eine gewisse Plausibilität. Auch unser Pfarrer zeigte sich im nächsten Unterricht angetan von unseren Überlegungen, die er beifällig aufnahm.

 So kam es, dass wir Konfirmandinnen und Konfirmanden uns nach dieser Zeitreise durch die Jahrhunderte nun als Teil einer großen Konfirmandengemeinde sehen konnten, die lange vor uns ihren Anfang genommen hatte und auch nach uns sicherlich weiterwachsen und bestehen würde.

 

Später bin ich in meinem beruflichen Leben viel gereist, in Deutschland und auch in europäischen Ländern. Gerne habe ich, wann immer sich eine Möglichkeit bot, einen Blick in Kirchen geworfen, nicht zuletzt, weil ich ein wenig Orgel spiele und so hin und wieder die Gelegenheit hatte, ein Instrument kennen zu lernen. Dabei ist mir auch die Frage nach der Zahl der Kirchenbesucher manchmal wieder in den Sinn gekommen, natürlich ohne dass sie so genau hätte beantwortet werden können, wie wir das für unsere Martinskirche damals versucht hatten. Alles in allem war es aber doch wohl geradezu eine Heerschar von Männern und Frauen, die über die Zeiten hinweg und unter den unterschiedlichsten Bedingungen und aus den verschiedensten Anlässen, freudigen wie eher traurigen, Gottesdienst gefeiert haben. Für einen Teil dieser christlichen Schar war auch meine Martinskirche durch die Zeiten Zentrum christlichen Lebens, und sie wird dies sicherlich auch in Zukunft bleiben.

 

Hartmut Nassauer, Jg. 1942

war Richter und Anwalt, Mitglied des Hessischen Landtags, Hessischer Innenminister, Vizepräsident des Hessischen Landtags, Mitglied des Europaparlaments

 

"Bei der Martinskirche Dautphe denke ich an Beständigkeit. Sie ist nachweisbar eine der ältesten Kirchen Hessens: Und wenn man bedenkt, wie beständig diese Kirche allen kleinen und großen Krisen, Gefahren und Katastrophen der Geschichte getrotzt hat, oder sich vorstellt,  wie sie ungezählten Menschen über die Jahrhunderte hinweg Halt, Trost und Hoffnung, aber auch Ort für Trauer, Kummer und klage gewesen ist, dann ist das für mich durchaus ein Zeichen dafür, dass in guten wie in schweren Momenten eines beständig bleibt: Gottes Liebe zu den Menschen." 

Marian Zachow

Erster Kreisbeigeordneter

Landkreis Marburg-Biedenkopf

 

„Die Martinskirche ist seit vielen Jahrhunderten ein geistliches Zentrum in der Region. Die Glaubensgemeinschaft  über viele Generationen hinweg, die unzähligen Gebete und Segensworten sind in dieser Kirche zu spüren und bieten Geborgenheit bei Gott. Die Begegnungen mit Gott und die Gemeinschaft untereinander sind für mich ein Zeichen, dass Gottes Kraft wirkt und uns miteinander verbindet.“

Sabine Bertram-Schäfer

Pfarrerin - Pröpstin für Nord-Nassau

„Die Martinskirche bedeutet für mich einen festen Anker in meiner Lebensgeschichte. Sie steht für weit mehr als nur ein Gebäude. Sie steht für Menschen, die mit der Martinskirche unauflöslich verbunden sind. Wenn ich daran denke, durchströmt mich die Kraft, die ich aus den Begegnungen in Dautphe ziehen darf.“

Dr. Julia-Maria Freifrau von Schenck-zu Schweinsberg-Berlandi

Gräzistin an der Universität Mainz

Mitglied der Patronatsfamilie

 

„Die Martinskirche bedeutet für mich Heimat. Hier wurde ich getauft und konfirmiert. Das Erste, was mir ins Auge fällt, wenn ich von Silberg nach Dautphe fahre oder von einer Reise zurückkehre, ist der Turm der Martinskirche. Die Martinskirche ist eines unserer Wahrzeichen in Dautphetal.“

Lars Kolbe

Unsere Martinskirche ist für mich ein Stück Heimat und prägt das Bild von Dautphe. In der Martinskirche habe ich meine Frau Sabine geheiratet und unser Sohn Julius wurde dort getauft und konfirmiert. Ich verbinde viele schöne Erinnerungen mit unserer Kirche.

Marco Schmidtke

 

Wenn ich an die Martinskirche denke, dann verbinde ich dies mit vielen Dingen. Insbesondere denke ich an meine Konfirmandenzeit, aber auch an tolle Veranstaltungen, die ich unterstützen durfte. Die Kirche ist und bleibt für mich das kirchliche Aushängeschild unserer Gemeinde.

DJ Alex Hof

Wenn ich die Martinskirche betrete, dann denke ich an ganz viele schöne ökumenische Momente - an Passionsandachten, an einen Osterweg und ein Fest mit den Hinterländer Werkstätten. Ich denke an freundschaftliche Begegnungen, die mein Herz anrührten, und Wege, die sich mal kurz, mal länger kreuzten, die ich gerne mitgegangen bin und mitgehe. Wenn ich die Martinskirche betrete, spüre ich Gott nah bei mir - in jeder dieser Begegnungen.

Charlotte Meister, Gemeindereferentin

Pfarrei St. Elisabeth an Lahn und Eder

Die Martinskirche bedeutet für mich Geborgenheit.

Nicht nur dass ich in der Martinskirche getauft und konfirmiert wurde, war das Umfeld der Kirche auch „Spielplatz“, wo man einen Großteil der Kindheit verbracht hat. Sie ist daher ein Stück Heimat und ein zu Hause. Ganz besonders deutlich wird es, wenn ich aus dem Urlaub zurückkehre und sehe schon von weitem den Turm der Martinskirche. Dann weiß ich, ich bin daheim.

 

Vielleicht kann man sie auch als „Leuchtturm“ bezeichnen, der den richtigen Weg leitet.

 

Bernd Schmidt

Bürgermeister der Gemeinde Dautphetal

Mitglied im Fundraising-Ausschuss für die Kirchturmspitze

Wenn ich an die Martinskirche denke, sehe ich eine mit Kindern vollbesetzte Kirche beim Feiern des Lutherfestes. Dicht gedrängt sitzen 200 begeisterte Kinder und Mitarbeitende beisammen und staunen, singen, klatschen, beten und loben Gott miteinander. Ein wunderbares Bild, das mich erfüllt und glücklich macht.

 

Kerstin Griesing, Gemeindepädagogin im Nachbarschaftsraum Dautphetal

Die Martinskirche in Dautphe bedeutet für mich ein Stück Zuhause. In dieser wunderschönen Kirche wurde ich ordiniert und durfte in meinen ersten Dienstjahren als Pfarrerin viele schöne und festliche Gottesdienste, Taufen und Trauungen feiern und Menschen begegnen, die mir wichtige Wegbegleiter geworden sind! Immer wieder habe ich mich auch ganz bewusst einige Minuten in die offene Kirche gesetzt und die Stille und Geborgenheit dieser Kirche genossen. Wenn ich die Tür zur Martinskirche öffne, ist dieses Gefühl sofort wieder da – die Martinskirche ist ein Stück Zuhause!

Pfarrerin Sandra Jost, Bad Salzschlirf

 

Was bedeutet eigentlich

Die Kirche heute noch für Dich?

Was ist sie Dir, erzähle!

Sie ist mir guter, alter Brauch.

Ist Ort des Trosts, der Feier auch,

 

Ist Heimat meiner Seele.

 

Pfarrer i. R. Dr. Jörg Debus, Kombach

Die Martinskirche in Dautphe ist seit nahezu 1.000 Jahren der geistliche Mittelpunkt unserer Region.
Hier empfangen die Menschen in allen Lebenslagen durch das Wort Gottes Erbauung, Trost und Ermutigung. Mit unserer Martinkirche haben uns unsere Vorfahren ein wertvolles Erbe überlassen, das es für die Nachkommen zu erhalten gilt.

Die Martinskirche bedeutet für mich ein Ort voller guter Erinnerungen.
In der Martinskirche wurde ich konfirmiert, hier wurden Heike und ich getraut und hier durften wir am Tag unserer Goldhochzeit erneut Gottes Segen empfangen.

 

 

Manfred Roth